Die Gemeinde Tutzing, zu der die Ortsteile Diemendorf, Kampberg, Monatshausen, Neuseeheim, Ober- und Unterzeismering, Rößlberg und seit der Gebietsreform im Jahre 1978 auch die Orte Traubing, Obertraubing und Deixlfurt gehören, hat rund 9.500 Einwohner und gehört damit zu den größten Gemeinden im Landkreis.
Wie die Funde beweisen, reicht die Geschichte des Ortes zurück bis in die Steinzeit. Aus der Bronze- und Eisenzeit stammen Grabhügel in der Nähe des Maistättenwaldes. Dass sich hier am See auch die Römer wohlfühlten, bestätigen Reste eines Gutshofes am Deixlfurter See.
Seinen Namen verdankt der Ort der Familie Tozzi und Tuzzo aus dem Adelsgeschlecht der Huosi. Daraus lässt sich schließen, dass der Ortsname Tutzing bereits im 6. Jahrhundert bestand. Urkundlich wird es aber erst ab 742 durch eine Schenkung an das Kloster Benediktbeuern erwähnt. Die Tuzzo waren überwiegend Ministerialien der Grafen von Andechs und fielen nach deren Untergang unter die Herrschaft der Wittelsbacher.
1322 verpflichtete sich Chunrad der Tuzzinger, den Mönchen von Benediktbeuern jährlich 300 Renken als Fischtrost zu reichen. Sechs Hoffischer waren zu der Zeit bereits mit einem Grundstück und Anwesen belehnt. Sie und ihre Nachkommen prägten den Charakter dieses Ortes, der bis ins 19. Jahrhundert ein einfaches Fischerdorf blieb und in dem es ab dem 16. Jahrhundert auch immer wieder einen Kampf um die Fischrechte zwischen Hoffischern und der Herrschaft der Hofmark Tutzing gab.
Nachdem das Geschlecht der Tuzzinger ausgestorben war, erwarb um 1480 das reiche Münchner Patriziergeschlecht Dichtl den kleinen Ort. Bernhard dem Älteren Dichtl wurde 1519 vom Herzog von Bayern die Hofmarksgerechtigkeit über Tutzing verliehen, die später auf Ober- und Unterzeismering sowie auf die verschiedenen Höfe in Traubing, Monatshausen und Diemendorf ausgedehnt wurde.
Wie die meisten Ortschaften in dieser Gegend litt auch Tutzing unter den Folgen des Dreißigjährigen Krieges. Zwischen 1632 und 1634 brannten Schloss, Pfarrkirche, Brauerei, Hoftaverne und einige Anwesen ab.
Kaum hatte sich die Bevölkerung von dem Schrecken des Krieges erholt, traten auch schon die ersten Pestfälle auf. Schlimm wütete diese Krankheit in der gesamten Hofmark.
1650 wurde die Hofmark von Hans Albrecht Viehbeck von und zu Haimbhausen ersteigert. Seine Tochter und einzige Erbin heiratete den Reichsfreiherrn Maximilian Ernst von Götzengrien. Er ließ an der Stelle, wo erst ein einfacher Sedlhof stand und dann der „gefeite” Herrensitz, der mit Mauern und Wachtürmen umgeben war, ein neues Schloss mit hübscher Barockfassade bauen. Der Park wurde im sorgfältig abgezirkelten französischen Stil angelegt und mit Fontänen und Vasen ausgestattet.
1731 fiel der Besitz an die Alleinerbin Maria Theresia Cäcilia, die mit Ferdinand Joseph Freiherr von Vieregg verheiratet war. Dieses Geschlecht, das später in den Grafenstand erhoben wurde, stellte bis 1866, als es in männlicher Linie ausstarb, die Hofmarksherren.
Unter den Viereggs erfuhr das Schloss gravierende Veränderungen und wurde zu einem feudalen Herrensitz, dessen Park im englischen Stil angelegt wurde. 1869 ging der Besitz an den Stuttgarter Verleger Eduard Hallberger über, der gleichzeitig Besitzer der Tutzinger Brauerei war.
Nach mehreren Besitzerwechseln wurde es 1949 von der Evangelischen Landeskirche gekauft und ist heute Sitz der Evangelischen Akademie. Das ergab sich dadurch, dass nach dem Krieg im Schloss Rußland-Heimkehrer untergebracht waren und der damalige Betreuer, Dr. August Knorr, versuchte diese Männer dadurch wieder aufzurichten, dass er ihnen die Grundwerte einer freien Gesellschaft vermittelte. Aus diesem privaten Engagement entwickelte sich die heutige Arbeit der Akademie, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Grundfragen des öffentlichen und persönlichen Lebens im reformatorischen Verständnis der Heiligen Schrift im gemeinsamen Bemühen von Geistlichen und Laien zu klären. Unterdessen ist die Akademie zum Diskussionsforum geworden, bei dem sich auch höchste Repräsentanten aus Kirche, Politik und Wirtschaft treffen.
Ebenso wie die Evangelische Akademie trägt auch die Akademie für Politische Bildung den Ruf Tutzings in alle Teile der Bundesrepublik. Diese Akademie ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die vom Freistaat Bayern getragen wird. Sie ist überparteilich und wendet sich vor allem in ihren Fort- und Weiterbildungsseminaren an Multiplikatoren, die im öffentlichen Dienst, in politischen Parteien oder in Verbänden tätig sind. Untergebracht ist diese Akademie in der Villa „Buchensee”, die nach Plänen von Leo von Klenze errichtet wurde.
Über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus aber tragen die Missions-Benediktinerinnen den Ruf Tutzings. 1904 wurde das Mutterhaus von St. Ottilien nach Tutzing verlegt. Von hier aus gingen die Schwestern zunächst nach Tansania. Bald wurden sie auch auf die Philippinen und nach Brasilien gerufen; weitere Länder folgten. Heute leben, beten und arbeiten rund 1.400 Frauen verschiedenster Nationalitäten als Missions-Benediktinerinnen von Tutzing in aller Welt und sind in den zahlreichen Aufgabenbereichen tätig.
In Tutzing waren die Schwestern lange Jahre Trägerinnen von Schulen und vom Krankenhaus. Heute arbeiten sie in mehreren Einrichtungen sowie in Pfarreien mit. Das ursprüngliche Kloster „Maria Hilf” ist Gästehaus, in das Angehörige zu Urlaub, aber auch Menschen zu „Stillen Tagen” und Exerzitien eingeladen werden. Des Weiteren kümmert sich die Missions-Prokura um Schwestern, die im Ausland tätig sind.
Auch für Liebhaber klassischer Musik ist Tutzing ein Begriff geworden durch die Musiktage, die von der Pianistin Elly Ney und Ludwig Hoelscher 1958 ins Leben gerufen wurden. Neben diesen beiden hat es aber auch andere Musiker immer wieder nach Tutzing gezogen, unter anderem Johannes Brahms (seit 1997 finden jährlich die Tutzinger Brahmstage statt), Max Reger, Engelbert Humperdinck, Hans Pfitzner und Werner Egk.
Weiterhin bekannt wurde Tutzing aber durch die traditionelle Fischerhochzeit, die alle fünf Jahre stattfindet. Sie wird so prunkvoll gefeiert wie damals, 1814, als der Gröber Michael die Bierbichler Veronika heiratete.
Viel über die Geschichte des Ortes erzählen auch die Gotteshäuser in Tutzing und seinen Ortsteilen. Angefangen von der großen Pfarrkirche St. Josef in Tutzing über das bäuerliche barocke Martinskirchlein in Monatshausen bis zur St.-Nikolaus-Kapelle in Oberzeismering. Wer letztere an schönen Föhntagen besucht, sollte sich auch von Geschichte und Kultur einmal ab- und der Natur zuwenden und etwas höher zur Ilka-Höhe wandern, denn nirgendwo sonst im Fünfseenland hat man einen so schönen Blick in die Berge. Von den Salzburger bis zu den Allgäuer Alpen liegt die ganze Alpenkette vor dem Betrachter.
Ortsgeschichtlicher Arbeitskreis
Seit ca. fünfzehn Jahren gibt es eine Gruppe von Leuten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, sich mit der Geschichte unseres Heimatortes zu befassen.
Sie dokumentieren Bestehendes, recherchieren Vergangenes, tragen Dokumente und Fakten zusammen und tauschen ihre Erfahrungen und Ergebnisse aus. Einiges Unbekannte kann so entdeckt, manches vor dem Vergessen bewahrt werden. Zusammenhänge zum Heute werden deutlich und erklären, warum Tutzing so ist, wie es ist.
Seit mehreren Jahren stellt der Ortsgeschichtliche Arbeitskreis den Tutzinger Bürgern einmal jährlich Ausschnitte seiner Arbeitsergebnisse in einer Präsentation vor.